Ein 900-Seelen-Dorf mit 100 Schwalben

Otto Kettenburg ist schuld! 1992 kauft er sich eine Schwalbe und ist damit Ersttäter in Unterstedt. Seine alte Florette hat den Geist aufgegeben und den Roller aus dem Osten gibt es noch für kleines Geld.

 

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Jubiläums-Rennen 2013: 40 Schwalbefahrer aus Unterstedt.

 

Otto Kettenburg ist schuld! 1992 kauft er sich eine Schwalbe und ist damit Ersttäter in Unterstedt. Seine alte Florette hat den Geist aufgegeben und den Roller aus dem Osten gibt es noch für kleines Geld. Dass er damit in seinem Dorf östlich von Bremen einen Run auslöst, kann er damals nicht ansatzweise ahnen.

1993 bekommt Henry Badenhop aus Unterstedt so einen Vogel für seine Tochter geschenkt. Die Schwalbenprinzessin ist aber erst vier Jahre alt, und so bewegt der Vater das knatternde Gefährt. Ein Jahr später beschließen die zwei einzigen Schwalbefahrer des Dorfes eine kleinen Runde um die Häuser zu drehen. Otto, der Ersttäter, wird das erste und einzige Mal in seinem Schwalbefahrerleben Zweiter. Aber dafür wird die Tradition des Schwalberennens von Unterstedt geboren.

Bereits 1995 gibt es 30 Schwalben und 20 Rennfahrer im Ort. 1996 wird ein Club gegründet und der wächst und wächst. Das Rennen wird zum Kult. 1999 schauen den verrückten Schwalbe-Rennfahrern bereits 400 Einwohner zu.

 

Pferd gegen Schwalbe

 

Dabei sind viele selbst so verrückt, sich per Autokran in einer Gondel auf 80 Meter Höhe ziehen zu lassen, um den absoluten Blick zu haben. Auf das Rennen und auf Volker Weiß. Der tritt in jenem Jahr wie John Wayne mit einem Pferd gegen den Vogel an. Und gewinnt! Mit einem Reitstil, den ihm im Dorf keiner zugetraut hätte. Doch egal, ob Schwalbe oder Pferd: Die Dorfgemeinschaft feiert! Bis 2008 gibt es jährlich ein Schwalbe-Rennen. Dann ist Schluss. Aber nur mit dem Rennen. Die Knatter-Schwalben bekommen immer mehr Fans und gehören zum Dorf wie der Hund zum Hof. Mehr als 75 Mitglieder hat der Verein. Wie Ersttäter Otto besitzen inzwischen viele mehr als nur eines dieser Vögelchen. "Ich hab acht", lacht Kettenburg. Im norddeutschen 900-Seelendorf stehen oder fahren somit etwa 100 Schwalben. Diese Pro-Kopf-Dichte dürfte nahezu einmalig in Deutschland sein.

Aber die Schwalbe bringt manchen nicht nur zur Arbeit in die fünf Kilometer entfernte Kreisstadt oder die Kinder in die Schule. Der Blech-Vogel aus Suhl hat in Unterstedt viel mehr bewirkt. Neben Feuerwehr und Sport-Verein bestimmen die Schwalbenfahrer längst das Fest-Leben im Dorf mit. Was Wunder, dass es nach fünfjähriger Renn-Abstinenz "so viele Anfragen gab, dass wir es 2013 wieder organisierten. Es war das Highlight", schwärmt Otto. 1000 Zuschauer aus der Umgebung kamen, um die Schwalben fliegen zu sehen und zu feiern. Jetzt soll alle zwei Jahre das Rennen starten.

Als nächstes aber wollen die Unter-stedter sich auf den Weg nach Suhl zur Jubiläumsfeier machen. Gut 450 Kilometer liegen dann vor ihnen. Einige werden per Bus und Auto anreisen. Die harten Jungs aber kommen auf ihren Schwalben. Gut14 Stunden wird eine Tour dauern. Und unterwegs wird es so sein, wie bei jeder Ausfahrt: "Alle drehen sich um und wollen Fotos machen", sagt Otto. So werden die Norddeutschen auf der Tour gen Süden ihrem Slogan "Schwalbe flieg!" alle Ehre machen. Ihr eigenes Lied dazu singen sie hoffentlich nicht nur zu Geburtstags- und Hochzeitsfeiern, sondern auch zur Party am 5. Juli in Suhl.

Dass die norddeutschen Schwalbefans ein knatterlustiges Völkchen sind, zeigt übrigens auch ein kleiner Film, den das ZDF im Dorf gedreht hat. Aber überzeugen Sie sich davon doch selbst.

 

Bericht Von Cornelia Bauer